Taylor Swift: So klingt ihr neues Album "Reputation" (2024)

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Wenn es nach Kim Kardashian ginge, wäre an diesem Freitag, wenn Taylor Swifts neues Album erscheint, der Tag der Schlange. Die Ehefrau von Rapper Kanye West hatte das Reptil im vergangenen Jahr per Twitter zum Synonym für die Pop-Sängerin gemacht. Es ging um den Disput über eine herabwürdigende Textzeile in Wests Song "Famous".

Auch Fans von Calvin Harris nehmen gerne das Schlangen-Emoji, wenn es um Swift geht. Nachdem die Beziehung zwischen ihr und dem britischen DJ eher unfreundlich in die Brüche ging, stilisierte Harris sich zum Opfer und Swift enthüllte, dass ausgerechnet einer seiner größten Hits, das von Rihanna gesungene "This Is What You Came For", unter dem Pseudonym Nils Sjöberg von ihr geschrieben wurde. Boss move nennt man das wohl.

Wenn Männer, im Pop-Business und überall sonst auch, sich auf diese Art nicht unterbuttern lassen, gilt das als tough und souverän. Frauen werden zur Bitch erklärt - oder zur Schlange. Auch dann noch, wenn sie mit mehr als 40 Millionen Albumverkäufen, mehr als 130 Millionen Single-Downloads und zehn Grammy-Gewinnen zu den erfolgreichsten und einflussreichsten Künstlerinnen unserer Zeit zählen.

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Taylor Swift: Powerfrau der Popmusik

Foto: SUZANNE CORDEIRO/ AFP

"Reputation", das sechste Studioalbum der 28-Jährigen, ist Swifts erste Sammlung neuer Songs seit ihrem Blockbuster-Album "1989" von 2014 - und eines der großen Pop-Ereignisse des Jahres. Der Titel suggeriert eine Kombattanten-Attitüde, die eher nicht im Mainstream üblich ist, sondern aus dem Hip-Hop stammt, wo "Respekt" und "Reputation" früher auf der Straße, heute in Battle-Tracks verhandelt werden. Es wird geprotzt und gedisst, dem eigenen Ego geschmeichelt, den anderen, den Neidern, Hatern und Konkurrenten, Gift und Galle in Reimform verabreicht.

Für Charts und Spotify-Listen designt

Aber natürlich ist "Reputation" trotz seiner Hip-Hop-Anmutung, die man böswillig als cultural appropriation verdammen könnte, kein Rap-Album. Zwar ähnelt die suggestiv-monotone Ein-Noten-Phrasierung, die Swift als ihr Markenzeichen etabliert hat, dem afroamerikanischen Sprechgesang, doch bezieht sich diese Art zu singen bei ihr eher auf religiöse gregorianische Gesänge aus dem Mittelalter, wie die BBC kürzlich feststellte. Sermone, die zur Verfestigung des Glaubens, vor allem sich selbst und die eigene Power appellieren, sind natürlich Raps ebenso wie Chants.

In der Musik, erneut produziert von den Hit-Lieferanten Max Martin, Shellback und Jack Antonoff mischen sich Hip-Hop, Soul und R&B mit weißem Pop und den futuristischen EDM-Clubsounds: Es ist ein urbaner, an den richtigen Stellen melodischer, in Hooks, Beats und klangliche Spannungsbögen zerfallender Universalsound, der für Charts und Spotify-Listen designt wurde. Prototyp dieses ultramodern fragmentierten Hybrids aus aggressiven Geräuschen und süßen Harmonien ist die Single "Look What You Made Me Do".

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Interessanter als die Musik war bei Swift aber immer schon ihr Songwriting. Die Texte speisen sich zum größten Teil aus tagebuchartigen Anekdoten über ihre Männer-Beziehungen. Im vergangenen Jahrzehnt hatte Swift unter anderem Affären mit Joe Jonas, Harry Styles, Jake Gyllenhaal, John Mayer und Taylor Lautner. Zuletzt gab es ein Techtelmechtel mit Tom Hiddleston; aktuell ist sie mit dem britischen Schauspieler und Model Joe Alwyn liiert. All diese Männer mussten und müssen fürchten, in Swifts Song-Erzählungen vorzukommen.

Wenn sie Glück haben, bekommen sie zur Erinnerung eine schöne Ballade wie "White Horse" oder das brandneue "Gorgeous" (Alwyn oder Hiddelston), wenn es nicht gut ausging, gibt es Saures wie "I Knew You Were Trouble" (Styles), "Dear John" (Mayer) oder jetzt "Look What You Made Me Do", das einerseits gegen Antagonisten wie Lieblingsfeindin Katy Perry stichelt, andererseits auch nochmal gegen Ex-Lover Calvin Harris austeilt. Das Schlangensymbol trägt sie wie zum Trotz im Videoclip als Ring am Finger, während sie im Eisbad liegt.

Prinzessin und Raubtier zugleich

Swifts Leben, so der Eindruck, ist ein ständiges Wechselbad der Gefühle, in dem sie oft nur Spielball zu sein scheint. "Don't blame me/ Love made me crazy", singt sie in einem ihrer neuen Songs fast entschuldigend: Ich kann nichts dafür, die Droge Liebe hat mich um den Verstand gebracht. Schwärmend will sie sich dann die Initialen ihres neuen Lovers als Kette um den Hals legen ("Call It What You Want").

Dann wiederum inszeniert sie sich in "...…Ready For It?", "Getaway Car" oder "So It Goes" als promiskuitiver Nighthawk, ein Raubtier, das nachts auf der Jagd nach Abenteuern durch Motelbars streift. Dafür muss man als Mann bereit sein, are you ready for it? "Baby let the games begin". Als "Thief", "Robber" oder "Traitor" bezeichnet sie sich dann, als verdorbene Unschuld, die nur Unglück bringt. Aber ist das alles ihre Verantwortung? "Look what you made me do" impliziert ja auch, dass prinzipiell immer die Anderen Schuld haben. "The old Taylor is… dead", heißt es in dem Song. Aber wer ist die neue, offensichtlich abwehrbereite Taylor, die aus dem Stahlbad der öffentlichen Be- und Verurteilung hervorgeht?

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Vor allem ist Swift eine große Pop-Erzählerin, die ihre inneren Widersprüche und Konflikte in pointierte Lyrics und stimmungsvolle, auch klanglich immer wieder ambivalente Song-Szenerien übersetzen kann. Aber geht das? Romantisch verliebte Prinzessin und männerverschlingender Vamp zu sein, Opfer und Täterin, Subjekt und Objekt der Begierde zugleich?

Um diese Zerreißprobe geht es auf "Reputation". An der nie abschwellenden Kakophonie aus Schlangen-Diss und Tratsch über Privates sowie einer Verschwörungstheorie, der zufolge die blonde, großgewachsene Swift im Geheimen Nazi-Sympathisantin und "arische Göttin" sein soll, kann ein Popstar in der Hyper-Öffentlichkeit des Internetzeitalters entweder zerbrechen oder emotional absterben. Folgerichtig inszeniert sich Swift in ihren aktuellen Videoclips auch als Zombie oder Cyborg, dessen Nacktheit nicht sexy, sondern mechanisch wirkt. Oder aber es gelingt einem, das alles abzuschütteln, "shake it off", wie Swift in ihrem größten Hit vom letzten Album sang.

Swift zeigt mit "Reputation" einen emanzipatorischen dritten Weg auf: "My reputation's never been worse", singt sie in "Delicate", der Story einer behutsamen Annäherung zweier Celebrities im öffentlichen Raum, "so you must like me for me", liebe mich einfach so, wie ich bin, mit allen Unberechenbarkeiten. Dazu gehört auch, dass man gewisse Leerstellen ertragen muss, auch politische. Denn zu Bekenntnissen, wie sie zur gesellschaftlichen Spaltung der USA, zu Rassismus oder Trumpismus steht, lässt sich Swift nicht erpressen, auch Interviews gibt sie nicht. Politik beschränkt sich bei ihr aufs Private, und da geht es vor allem um die Unverschämtheit, als Frau auf Autonomie zu bestehen.

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert, lautet ein altbackener Ausspruch, der aber perfekt zu Swifts modernem Feminismus passt. Sie fordert nicht Mitleid oder Empathie, sondern Respekt.

"Reputation" (Big Machine/Universal) ist ab 10. November zunächst nur als CD und Download erhältlich. Nach Ablauf einer Woche soll es auch bei Streamingdiensten verfügbar sein.

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